So wirklich hatte ich mich noch nicht an das Bett gewöhnt und schlief wieder recht unruhig. Tom rutschte nur seine Decke ein paar Mal weg und fiel zu Boden, sonst schlummerte er prima. Unsere kleine Dusche war so super, dass ich sie auch wieder benutzte. Mein Mann schlich lieber über den noch verschlafenen Campingplatz und testete eine der kostenlosen Nasszellen dort. Zufrieden kam er zurück und gemeinsam frühstückten wir im Fahrzeug. Draußen schien zwar die Sonne, aber es war so gut wie windstill und das rief die Mücken auf den Plan! Der geräucherte Fisch von der ersten Bude gestern schmeckte superlecker, nur die schwedischen Aufbackbrötchen waren noch verbesserungswürdig.
Das Womo hatten wir an diesem Morgen bereits schneller abfahrbereit und so waren wir um 9:00 Uhr wieder „On the Road“. Unser Weg führte uns etwas weiter ins Landesinnere Richtung Ryd. Die Getreidefelder wichen großen Wäldern und die Mohnblumen tauschten ihre Plätze mit nicht minder schönen Lupinen.
Nach einer guten Stunde erreichten wir den Autofriedhof im Kyrkö Mosse. Dort im Moor begann 1935 eine besondere Geschichte, welche wahrscheinlich 2050 enden wird. Der Schwede Åke Danielsson kaufte vor 82 Jahren das Stück Moor und begann damit, Torf abzubauen. Nach dem zweiten Weltkrieg erkannte er die Chance sich dem immer größer werdenden Autoboom anzuschließen. Aber statt neue Autos zu kaufen, sammelte er die liegengebliebenen und verlassenen Fahrzeug am Straßenrand ein und schlachtete sie aus. Gewinnbringend verkaufte er dann die Ersatzteile. Anfang der 90er war Åke zu alt für diese Arbeit und zog in ein Altersheim. Seine Schrottautos blieben jedoch im Moor zurück. Nach seinem Tod wurde heftig über den Autofriedhof diskutiert und erst 2001 kam man zu der Entscheidung, dass die Autos bleiben dürfen wo sie sind. Zumindest bis 2050. Denn bis dahin, so hofft man, hat die Natur die 150 Wracks überwuchert.
Der Ort hatte die unglaubliche Stille und Ruhe eines normalen Friedhofs. Leise schlichen wir von Rostlaube zu Rostlaube. Die Natur war auf dem besten Weg sich das Gelände zurückzuerobern. Da lag ein VW Käfer, halb im bewaldeten Moor versunken und auf einer Hutablage wuchsen kleine Tannen. Die ursprünglichen Autofarben waren nur noch an wenigen Modellen erkennbar.
An einem kleinen LKW oder besser gesagt, das was davon noch übrig war, hörte ich leises Baby-Vogelgezwitscher. Dem Geräusch ging ich vorsichtig nach und fand im alten Tank ein Meisennest. Erwartungsvoll piepten mich die Kleinen an. Wie süß!!
Gemütlich spulten wir die nächsten Kilometer ab. Vorbei an Seen mit kleinen Inselchen, dichten Wäldern und durch Mini-Ortschaften. Nett, aber auch ein wenig eintönig.
In Växjö kauften wir Grillfleisch für den Abend und einen neuen Thermobecher für mich. Aus dem alten Becher hatte ich immer Kaffee getrunken und deshalb schmeckte mein heißgeliebter Tee daraus jetzt auch nach Kaffee! Es musste also ein neuer Becher her. In einer Eistruhe an der Kasse entdeckten wir „Bubbies Mochi Ice Cream Hawaii“. Mmh, Erinnerungen kamen hoch! Diese Mochiteile kannten wir doch aus unserem Hawaii-Urlaub und da hatten sie uns nicht geschmeckt. Aber so? Als Eisvariante? Jeder suchte sich eins aus und im Womo wanderten die Dinger rasch in unseren Mund. Wow, die waren echt klasse! Innen Eiscreme und nur von außen eine dünne Schicht Mochi, die super gegen klebrige Eisfinger half. Die Dinger wird es auf jeden Fall noch einmal geben.
Das nächste Ziel auf meiner Karte war Bullerbü. Gute 130 km trennten uns von dem Drehort der Serie „Die Kinder von Bullerbü“. Auf halber Strecke legten wir eine Imbisspause ein. Die geräucherten Garnelen von gestern wollten gegessen werden. Yummy!
Dann ging es weiter, vorbei an Wäldern, durch Wälder durch und neben Wäldern her… Hatten wir einen Wald verlassen, folgte auch gleich der Nächste. Auf der Suche nach Michel durchquerten wir Lönneberga. Der Lausbub hatte sich aber scheinbar aus dem Staub gemacht und war nicht aufzufinden.
Kurz nach 15:00 Uhr erreichten wir das Dorf Bullerbü, das eigentlich Sevedstorp heißt. Es diente Astrid Lindgren als Vorlage für ihre Bücher und war 1986 auch Drehort für die Verfilmung der Geschichten. Es war so hübsch dort. Bienen summten in den Blumen, der Geruch von frisch gemähtem Gras lag in der Luft und die roten Holzhäuser vom Nord-, Mittel- und Südhof leuchteten in der Sonne. Geht es bitte noch schwedischer?
Mit einer Tasse Kaffee und einem Stückchen Kuchen genossen wir eine Weile die herrliche Ruhe dort und ließen uns die Sonne ins Gesicht scheinen.
Teils über Schotterpisten düsten wir weiter zur dicksten Eiche Schwedens. Sie hat einen Durchmesser von 14 Metern und man schätzt ihr Alter auf ca. 1000 Jahre. Damit ist sie eine der ältesten und größten noch lebenden Eichen Europas. Was sie wohl erzählen würde, wenn sie könnte?
Leider ist die alte Eiche stark angegriffen. Vor einigen Jahren befiel der Eichenwickler, eine Schmetterlingsart, den Baum und verursachte große Schäden. Zudem war das alte Metallband, welches den Stamm zusammenhielt, schlecht für den Nährstofftransport zwischen Wurzeln und Kronen. Eine Pilzerkrankung gab der Eiche den Rest. Auch wenn das Metallband mittlerweile durch ein schonenderes Stahlseil ersetzt worden ist und man auch mit Rindenmulch und Algenextrakten versucht den Baum zu retten, sahen wir nur an wenigen Ästen grüne Blätter.
Für mich war das ein trauriger Ort. Ich hatte das Gefühl, ich gucke der alten Eiche beim Sterben zu. Hoffentlich übersteht sie noch viele Winter!
Über die engen Schotterpisten zu fahren, war viel interessanter als über die langweilige Schnellstraße zu brettern. Die ganze Zeit über hielten wir nach Elchen Ausschau und ich bin mir sich, wir sind an mindestens drei Exemplaren vorbeigefahren ohne es zu merken.
Um noch ein paar Kilometer zu machen, stiegen wir nach einer Weile aber wieder um auf die Schnellstraße. Für den morgigen Abend hatte ich ja einen Stellplatz in Leksand reserviert und bis dahin waren es noch gute 400 Kilometer. Ein paar davon wollten wir an diesem Tag noch schaffen. So düsten wir noch bis nach Motala am Göta-Kanal.
Der Kanal ist 190 km lang und wurde von 1810 bis 1832 erbaut. Er hat 58 Schleusen und sein höchster Punkt liegt bei knapp 92 m ü.d.M.. Keine 30 Meter vom Kanal entfernt fanden wir einen netten und ruhigen Stellplatz. Es gab zwar keine Ver- und Entsorgestation, dafür aber Strom.
Da das Wetter es wieder zuließ, wurde natürlich gegrillt mit leckerem Melone-Gurke-Feta-Salat. Hocherfreut wurden wir dabei von keiner einzigen Mücke belagert und das obwohl sich in Sichtweite der Borensee befand. Seltsam, ob es an unserer Knoblauchsauce lag?! *hihi*
Satt spazierten wir noch eine Runde durch den Ort und schauten auch am See vorbei. Sehnsüchtig beobachtete Tom die Wasseroberfläche. Kleine Fische sprangen aus den dunklen Fluten. Es sah fast so aus, als wenn sie ihn auslachen wollten. „Ätsch, du darfst hier nicht angeln“, hörte man sie förmlich rufen.
Im Womo machten wir es uns noch gemütlich, bevor wir gegen 22:30 Uhr ins Bett verschwanden.