30.06.

Gut ausgeruht machten wir uns früh um 8:20 Uhr auf den Weg. Es war noch leer auf Norwegens Straßen. Die Sonne
schien zaghaft durch ein paar Schleierwölkchen und der Fjord war nahezu spiegelglatt.

 

 


 


 


 


Die Wiesen lagen voll mit weißen, großen Rundballen. Das gute Wetter wurde von den Bauern ausgenutzt.


 


 


Ent- und versorgen konnten wir an einer Tankstelle in Skei. Die 6 € Gebühr dafür sparten wir uns, indem wir dort
auch gleich den Dieseltank vollmachten. Dann entfiel der Preis nämlich.


 


An grün schimmernden Seen, an denen die Berge steil emporstiegen, ging unser Roadtrip weiter. Schneereste hingen
noch an Felsvorsprüngen und lagen in schattigen Nischen. Immer wieder verschluckten uns Tunnel und es wurde für
einige Minuten dunkel.


 


 


Direkt hinter dem Fjærlandstunnel hielten wir links auf dem Parkplatz vom Bøyabreen. Ohne große Anstrengungen
kann man von dort aus die kleine Gletscherzunge bestaunen.


 


Nur wenige Kilometer entfernt befinden sich der Supphellebreen und oberhalb davon der Flatbreen. Zu denen kann
man auch hoch wandern. Aber, nein! Für heute hatten wir noch eine andere Wanderung geplant. Der Blick von unten
war auch schon sehr beeindruckend.


 


 


 


 


Die Fahrt ging weiter entlang der E5. Ständig mussten wir anhalten, weil ich Bilder machen wollte. Es ging von
Traumpanorama zu Traumpanorama. Dabei strengte mein Mann sich an, die Straße nicht aus den Augen zu
verlieren. Am liebsten hätte er nur den Ausblick genossen.


 


 


 


Kurz hinter dem Abzweig zur Urnes Stabkirche bogen wir links ab auf die Fv337. Die schmale Single Track Road
führte direkt am grün schimmernden Veitastrondsvatnet vorbei. Sie klebte förmlich am Fels, schlängelte sich wie
eine Schlange dran entlang und bot uns kaum zu toppende Ausblicke. Wir waren begeistert.


 


 


 


 


 


Allerdings nicht so sehr von den engen, einspurigen und grob gehauenen Tunneln ohne Licht. Die waren so dunkel
und finster wie alte Bergbaustollen. Echt unheimlich!

Kurz hinter einem kleinen Dorf endete die Straße an einer unbemannten „Mautstelle“. Die nachfolgende Schotterpiste
war eine Privatstraße und für uns kostete die Durchfahrt 50 Kronen (5,40€). Ich füllte einen kleinen Zettel aus, legte
das Geld in einen Umschlag und warf den in eine Art Briefkasten. Dann öffnete ich das Tor und wir fuhren durch.


 


 


 


 


Nach etwa 5 Kilometern stellten wir das Womo auf einem kleinen Parkplatz ab. Von dort sollte unsere Wanderung
zum Austerdalsbreen starten. Wir packten unseren Rucksack voll mit Proviant, schnappten uns die Wanderstöcke
und spazierten frohen Mutes los. Auch wenn die Sonne vom wolkenlosen Himmel schien, band ich mir meine
Fleecejacke locker um die Hüfte, man weiß ja nie! 


 


Es ging direkt steil hoch über dicke Steine. Von einem „Weg“ konnte keine Rede sein! Was für eine Kletterei! Teil-
weise waren die Steine nass und wir mussten aufpassen, nicht wegzurutschen. Neben uns rauschte der mintgrüne
Gletscherfluss und wir hatten einen tollen Ausblick aufs Tal.


 


 


 


Nach einer Weile erblickten wir vor uns einen orangefarbenen und einen blauen Punkt, die sich flott über die Felsen
bewegten. „Och“, meinte Tom. „Die Zwei sind ein paar Minuten vor uns losgelaufen! Ich glaube, die haben den
oberen Weg genommen!“ Was? Oberer Weg? Wie? War der etwa einfacher? Da wir so langsam nun auch nicht
unterwegs waren, sah es zumindest ganz danach aus. Prima! Ich war schwer begeistert und nörgelte vor mich hin.

Nach etwa 1,5 km kamen wir auf einer Hochebene an und der Weg wurde etwas besser und flacher. Nun mussten
wir kleine Bäche und feuchte, sumpfige Wiesen überwinden. Dafür balancierten wir über Steine und extra hingelegte
Holzbretter und provisorische Brücken. Unzählige Fliegen summten dabei ständig um uns herum. Was gingen die mir
auf den Keks!!


 


 


An den Berghängen lag noch einiges an Schnee und etliche Wasserfälle brausten von oben ins Tal hinab. Auf einmal
merkte ich, wie sich meine Kamera verabschiedete. Von der ganzen Lauferei hatte sich die Schraube vom Tragegurt
gelöst und das gute Ding stürzte zu Boden. Zum Glück landete sie im weichen Matsch und nicht auf irgendeinem
Stein! Was hatte ich für ein Glück!

Nach 4 km lag der letzte Anstieg vor uns. Eine große Moräne wollte bezwungen werden und ich mobilisierte meine
letzten Kräfte. Die zwei bunten Punkte kamen uns fröhlich pfeifend auf ihrem Rückweg entgegen. Etwas neidisch
grüßten wir die Zwei und fragten gequält, ob es noch sehr weit sei. „Nein, nein! Nur noch dieser Geröllberg und dann
habt ihr es geschafft!“, antwortete der blau gekleidete schlanke Mann. Sie, in einer grellen orangenen Jacke, gab uns
noch ein paar aufmunternde Worte mit auf den Weg und dann hüpften sie vergnügt die Felsen runter. Kaum waren
sie außer Sicht, fiel uns der andere Weg ein… Warum hatten wir sie nicht danach gefragt…??


 


Endlich oben angekommen, reichte uns der Ausblick auf die Gletscherzunge aber noch nicht. Dafür war ich doch nicht
2 ½ Stunden durch die Wildnis gestapft! Wir wollten mehr sehen!


 


So liefen wir noch mal ein paar Minuten weiter über die Geröllhalde und wurden schließlich nach insgesamt 2 Stunden,
45 Minuten und 5,3 Kilometern mit diesem grandiosen Anblick belohnt. Der Odinsbreen (links im Bild) und der
Torsbreen vereinen sich zum riesigen Austerdalsbreen.


 


Ziemlich fertig ließ ich mich auf einen großen Stein fallen und wir plünderten unseren Futter-Rucksack. Dabei
schauten wir zur wild zerklüfteten Eismasse hoch. Der nackte Fels zwischen den beiden Gletscherzungen sah fast
aus wie ein Herz und dass der Berg lebte, bewies er kurze Zeit später. Die Landschaft um uns herum war so
überwältigend, dass wir beide kaum ein Wort sprachen. Nur ein leichtes Grollen vom Berg unterbrach die Stille. 


 


 


 


 


Plötzlich rief Tom „Laaawiiiine!!“ (er meint heute übrigens immer noch, dass er das sooo gar nicht gerufen hätte!).
Sofort zuckte ich zusammen und überlegte, wo ich mich denn am besten verstecken könnte?! Welcher Felsen groß
genug war, für die Millionen Tonnen an Eis und Schnee, die den Berg hinabrollten?? Aber keine Panik! Die Lawine ging
ganz oben am Gletscher ab und stellte für uns zum Glück keinerlei Gefahr da. Total beeindruckend, so etwas einmal
live zu sehen.


 


 


Um 17:20 Uhr traten wir den langen Rückweg an und schleppten uns die Strecke zurück. Kurz vor dem Ziel mussten
wir eine Entscheidung treffen, sollten wir den oberen unbekannten Weg zurück zum Womo nehmen oder den uns
vertrauten unteren Weg? Ob der andere nun wirklich besser war? Nach kurzem Hin und Her entschieden wir uns für
den unteren Weg. Den kannten wir wenigstens und wer wusste schon, ob der andere nicht noch schlimmer und
steiler war!? Falls jemand die andere Strecke gewählt hat, berichtet uns doch bitte mal, wie die war.

Die Schatten der Berge hatten schon das halbe Tal erreicht, als wir endlich das Womo sehen konnten! Zum Glück,
denn meine Beine fühlten sich an wie Pudding und brauchten dringend ein bisschen Ruhe.


 


Nach knapp 6 Stunden schlossen wir die Türen auf und ich konnte es kaum erwarten, endlich meine Schuhe aus-
zuziehen. Herrlich… Auch wenn mir die Hände von den Wanderstöcken etwas wehtaten, wollte ich sie keine Minute
missen. Es war so viel einfacher und angenehmer damit zu laufen.
Die Tour war für uns ungeübte Hobbywanderer  wirklich anstrengend, aber das Ziel war alle Strapazen mehr als
wert. Besonders schön war, dass der Weg überhaupt nicht überlaufen war. Gerade einmal 12 Leute trafen wir auf
der gesamten Strecke.

Auf viel Fahrerei hatten wir beide an diesem Abend keine Lust mehr, wir waren ganz schön müde. Deshalb fuhren
wir den erstbesten Parkplatz an der Fv337 an. Nach einer Dose „Reistopf mit Hackbällchen“ sprangen wir noch
schnell unter die Dusche und lagen dann um 23:00 Uhr tief schlafend im Bett!


 


Kilometer: 212
Wetter: 24°C / Sonne
Übernachtungsplatz: Parkplatz an der Fv337
61°22′46.92″N 07°05′13.79″E
 

 

 

 

 

 

 

 

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