19.06.

Was für eine scheiß Nacht! Wir haben so gut wie gar nicht geschlafen. Zum einen war es doch ziemlich frisch. Wir
haben uns alles angezogen, was im Zelt so rum lag. Und dann fing es gegen 1:00 Uhr auch noch an zu regnen. Da
war es für mich ganz vorbei. Das Regentropfentrommeln war so laut und ging mir dermaßen auf den Keks… Auch
Tom wälzte sich unruhig hin und her. Um 6:15 Uhr hatten wir dann die Nase voll und standen auf. Die Quittung für
die Nacht waren bei mir 11 neue Mückenstiche, Tom hatte nur zwei. Ist das ungerecht…

Die heiße Dusche tat mir gut, Tom verzichtete. Er meinte, er hätte in der Nacht nicht geschwitzt, nur gefroren. In
einer kurzen Regenpause befreiten wir das Zelt so gut es ging vom Wasser und packten schnell alles zusammen.
Mit dicken dunklen Augenringen frühstückten wir in der Gemeinschaftsküche, bevor wir uns schon um 8:15 Uhr auf
die Socken machten.

Respekt vor den Leuten die immer zelten und auch noch Spaß dabei haben! Wir werden dieser Gattung niemals
angehören. Ich glaube, dafür muss man geboren sein. Camping ja, im Wohnmobil, Wohnwagen oder einer Hütte.
Aber nie mehr im Zelt!!

Mit einem heißen Tee und Kaffee, die wir uns an der Rezeption geholt hatten, fuhren wir los. Nach wenigen
Kilometern bogen wir rechts ab zum Trollholmsund. Am Ende der 5 km langen Strecke parkten wir, kleideten uns
regenfest und marschierten los. Der Weg führte erst ein kurzes Stück über eine Wiese und dann fast nur noch über
Geröll. Er war aber gut zu laufen.
Der Regen prasselte so auf meine Kapuze, wie der in der letzten Nacht aufs Zelt. Es war das gleiche klop, klop,
klop… Echt nervig!

 

 


Auf geht´s!  Trollholmsund



So ein bisschen Regen hält uns doch nicht ab!


Gut einen Kilometer stapften wir so durch den Regen, als Rentiere plötzlich genau vor uns auftauchten.


Rentiere



Bis zum Ziel war es dann nicht mehr weit. Nach einer alten samischen Sage sind die kuriosen Felsformationen aus
Kalkstein versteinerte Trolle, die beim Vergraben eines Schatzes vom Sonnenlicht überrascht worden waren.


Trollholmsund


Trollholmsund


Trollholmsund


Überrascht stellten wir fest, dass die Felsen völlig bröckelig waren. Wie lange die dort wohl noch stehen werden?





Wir machten uns auf den Rückweg und waren froh, als wir unser Auto erblickten. Bis wir uns ins Trockene setzen
konnten dauerte es aber noch etwas. Neben uns stand nämlich ein Wohnmobil aus Stuttgart und einer der
Bewohner, ein älterer Herr, kam extra raus um uns zu begrüßen. Einige Minuten quatschten wir mit dem sehr
sympathischen Mann.
Dann wollten wir aber aus unseren nassen Sachen raus und verabschiedeten uns.
 
Weiter ging es, das letzte Stück bis zum Nordkap. Regen prasselte gegen die Windschutzscheibe und meine
Sitzheizung lief auf Hochtouren. Wir überholten zwei Radfahrer und den Motorradfahrer aus Mettmann und seine
Kollegen, die wir vor vorgestern beim Fußballgucken kennengelernt hatten. Tom und ich waren uns schnell einig,
dass wir zwei gerade das beste Fortbewegungsmittel hatten!
Zum Glück aber ließ das feuchte Nass von oben irgendwann nach und ich hatte auch wieder Lust Bilder zu machen.


Stockfischgestell



Dann passierten wir unseren ersten Tunnel der Reise. Puh, war der finster. Auch wenn das auf dem Foto anders wirkt.



Danach klebte die Straße förmlich am Felsen. Tolle Strecke, rechts das Meer und links der Berg. Ein Seeadler
scheuchte Möwen auf und immer wieder kamen Wasserfälle den Hang runter.



Auf dem Weg zum Nordkap


Rentiere trieben sich auf den Steinwiesen rum und unzählige Wohnmobile und Busse kamen uns entgegen.



Nicht mehr weit!!


Es ging durch den 6870 Meter langen Nordkaptunnel, der das Festland mit der Insel Mageroya verbindet. Schon ein
irres Gefühl, wenn man merkt, wie steil es im Tunnel runter geht und wenn man sich überlegt, was sich alles über
einem befindet. Nämlich 212 Meter Gestein! Die Durchfahrt kostete uns übrigens 192 Kronen (25,50 €) und die
werden auf der Rückfahrt auch noch einmal fällig. Meine Güte, jetzt wissen wir auch wovon die Leute dort oben
leben.


Nordkaptunnel



Preistafel am Nordkaptunnel






Von weitem konnten wir dann irgendwann den Nordkapfelsen erkennen und sahen leider auch die Wolkenschicht,
die sich langsam über ihn zog. Aber das ist wohl das typische Bild, an mehr als 200 Tagen im Jahr sieht es dort so
aus.


Nordkapfelsen hinter Wolken


Da warten die Wolken auf uns



Mitten auf der Straße tauchten aus dem Nebel plötzlich kleine Kassenhäuschen auf. Wieder mussten wir die
Geldbörse zücken und bezahlten 470 Kronen (62,50 €) für uns beide. Es herrschte ein reger Betrieb dort oben.
Neben 6 Reisebussen und bestimmt 30 Wohnmobilen parkten unzählige Autos, Motorräder und sogar Fahrräder
auf dem großen Schotterparkplatz. Unser Auto kam neben Motorrädern aus der Schweiz und einem Geländewagen
aus Dänemark zum stehen.


Und noch ein Kassenhäuschen


Dann kämpften wir uns, dick angezogen, durch Wind und Nebel zur Kugel! Endlich standen wir am Nordkap (71° 10’
21’’ nördlicher Breite), dem nördlichsten Punkt Europas.
Mmh, eigentlich nicht ganz… Die Landspitze Knivskjellodden (71° 11’ 08’’ nördlicher Breite) westlich von uns, liegt
ein kleines Stückchen nördlicher. Da der flach abfallende Küstenpunkt aber nicht besonders attraktiv ist, entschied
man sich lieber für das 300 Meter hohe Felsplateau.
Und streng genommen ist Mageroya ja eine Insel, auch wenn sie seit 1999 durch einen Tunnel mit dem Festland
verbunden ist. Der nördlichste Punkt des Festlandes liegt auf der Landzunge Kinnarodden (71° 08’ 01’’ nördlicher
Breite). Und was ist eigentlich mit Spitzbergen?! Ach, wie dem auch sei, der nördlichste Punkt Europas ist und bleibt
in Norwegen! Und uns war das in diesem Moment eh alles völlig egal. Wir waren dort und genossen einfach!! Es
hatte was… Magisches… Nee, nicht ganz, aber es ist halt schon etwas Besonderes an diesem Punkt zu stehen. Mit
Worten schwer zu beschreiben. Nur so viel: „Jetzt sind wir Nordkapfahrer!!“


Knivskjellodden


Nordkap!!


Jaaa, wir sind am Nordkap!!!



Immer wieder lichtete sich der Nebel und gab den Blick auf die kalte Barentssee frei. Wow, war das ein toller Anblick!
Andächtig standen wir am Geländer und unser Blick ging Richtung Nordpol.


Barentssee



Gleich neben dem Besucherzentrum fanden wir durch den Nebel sieben aufgestellte große runde Steinplatten mit je
einer Metallplatte in der Mitte und eine lebensgroße Mutter-Kind-Figur. Hierbei handelt es sich das Projekt "Barn av
Jorden". Es wurde von Kindern aus sieben Ländern der Erde geschaffen und symbolisiert Hoffnung, Freude und
Freundschaft.


Barn av Jorden



Mittlerweile waren wir so durchgefroren, dass wir ins Besucherzentrum flüchteten. Das so gut wie es ging in den
Felsen gebaut wurde. Bei den Wetterbedingungen und auch rein optisch eine gute Idee. Bei Tee und Kaffee wärmten
wir uns. Und weil die Kuchen so lecker aussahen, genehmigten wir uns auch noch ein Stück. Alles zusammen für
umgerechnet 23,- €. Ja ja, Preise haben die hier…

In der Eingangshalle fanden wir einen großen Stein. Er ist im Boden eingelassen und voll mit eingeritzten Namen und
Daten von den ersten Nordkapbesuchern. Ob die das Besucherzentrum wohl um den Stein herumgebaut haben? Wir
können uns das jedenfalls gut vorstellen.


Stein in der Nordkaphalle



Der Weg nach oben auf das Felsplateau war damals auf jeden Fall nicht so einfach wie heute. Die Straße wurde erst
1956 gebaut. Bis dahin reiste man auf dem Seeweg an und kraxelte den steilen Berghang hoch. Respekt vor den
ersten Besuchern. Zu denen Anfang 1900 auch der König von Thailand (damals Siam) gehörte.

Unser Weg führte uns durch einen in den Felsen gehauen unterirdischen Gang zur Grottenbar. Im Gang gibt es eine
kleine Ausstellung zur Geschichte des Nordkaps, auf den Infotafeln gibt es übrigens auch eine deutsche Übersetzung.
Ebenfalls gibt es dort unten eine kleine Kapelle, in der viele Teelichter brannten, was dem Raum eine tolle Atmosphäre
gab. Heiraten kann man dort wohl auch, hatte ich zumindest irgendwo gelesen.


Nordkap Kapelle


An dem thailändischen Museum (zu Ehren des Königs) liefen wir vorbei, das passte dort mal so gar nicht hin. Die
Grottenbar selbst am Ende des Ganges war geschlossen und sah so wenig einladend aus. Schade…
Da machten wir uns lieber auf den Weg zum Panorama-Kino. Zur jeden vollen Stunde wird dort ein 20-minütiger Film
übers Nordkap gezeigt. Schöne Bilder aus allen Jahreszeiten, aber ich hätte mir auch ein paar Erklärungen dazu
gewünscht. So druselte ich mitten im Film kurz ein…

Im Souvenirshop kauften wir noch ein T-Shirt und einen Magnetpin für unseren Kühlschrank daheim. Die Postkarten
wollten wir abends schreiben und am nächsten Tag am Nordkap einwerfen. Sie würden dann einen Sonderstempel
erhalten. Wir sind gespannt…

Gegen 16:30 Uhr verließen wir schließlich das stürmische Nordkap und fuhren durch den dichten Nebel ins Tal runter.
In Skarsvåg, dem angeblich nördlichsten Fischerdorf der Welt, hatte ich ja bereits von Deutschland aus eine Hütte
gebucht. Und wir freuten uns wie zwei kleine Kinder am Weihnachtsabend auf unsere stabile Unterkunft!!

Und die war richtig nett. Sie erinnerte uns von innen ein bisschen an eine Almhütte, sehr kuschelig. Auch die Duschen
und Toiletten waren sauber und gepflegt. Die Rezeption und die Gemeinschaftsküche waren gemütlich und luden
zum Verweilen ein.



Blick von unserer Hütte



Wir luden unsere Sachen aus und packten das Auto ein bisschen um. Das Zelt werden wir bestimmt nicht mehr
ausladen und so konnten wir alles etwas besser verstauen. Die Handtücher von morgens hängte ich draußen auf
unsere Wäscheleine und Tom machte eine Maschine Wäsche an. Ja, es wurde Zeit. Eine ganze Ladung bekamen wir
zusammen. In der Zwischenzeit spazierten wir zum kleinen Hafen und Tom konnte endlich mal seine Angel ins
Wasser hängen. Ich lief bis zum Ende des Weges und machte ein paar Bilder.





Nach einer Stunde wurde es uns dann aber doch zu kalt und wir gingen zum Campingplatz zurück. Die Wäsche war
auch fertig und wir konnten sie gleich in den Trockner packen. In der Gemeinschaftsküche machten wir Nudelpfanne
und ließen sie uns bei hochgedrehter Heizung schmecken. Karten wurden geschrieben und der Reisebericht sowieso.

Von der gestrigen Nacht waren wir noch so erschlagen, dass wir um 22:30 Uhr ins Bett gingen. Draußen hatte es
sich eh komplett zugezogen und so wurde der zweite Besuch am Nordkap auf den nächsten Tag verschoben.
 

 

 

 

 

 

 

 

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