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29.07.
Um 8:30 Uhr waren wir ohne Frühstück schon abfahrbereit und machten uns auf zur kleinen Insel Lamb Holm. Unterwegs futterte Tom kalte Sandwiches und trank heißen Kaffee, während ich ihm die Geschichte der Italian Chapel vorlas.
Die italienischen Kriegsgefangenen im Lager 60, die die Churchill Barriers errichten sollten, sehnten sich in der nass- kalten und kargen Umgebung der Orkneys nach einer Kapelle. Als Grundgerüst erhielten sie dafür vom Kommandanten gegen Ende 1943 zwei Baracken, die sie aneinanderstellten. Der Gefangene Domenico Chiocchetti war ein Künstler und machte sich bald an die Arbeit, einen Altarraum zu bauen. Doch er brauchte Hilfe, alleine würde er das nicht schaffen. Seine Mitgefangenen standen ihm sofort zur Seite, unter ihnen waren u.a. Buttapasta, ein Zementarbeiter und Palumbi, ein Schmied. Aber auch ein paar Elektriker und ein weiterer Maler halfen mit. Nach und nach verschwanden die hässlichen vorderen Wände der Wellblechbaracke unter Gipsplatten. Das Material dafür wurde zusammengesucht oder vom Kommandanten „gespendet“. Ein altes zerstörtes Schiff erwies sich dabei wie eine Schatzkammer.
Palumbi schmiedete Armleuchter und später eine wunderschöne Chorschranke, für deren Arbeit er vier Monate benötigte. Nachdem sie eine weitere Gipsplatte erhalten hatten, konnten sie auch den Rest der Baracke verkleiden und so anmalen, dass sie wie ein Backsteinbau aussah. Die Wände bekamen täuschend echt aussehende Säulen und Steinmetzarbeiten aufgemalt.
Domenico Chiocchetti trug immer ein Stückchen Heimat bei sich. Ein kleines Bild mit einer heiligen Madonna und dem Jesuskind, es half ihm durch die traurigen Tage des Krieges. Und genau dieses Bild zauberte er hinter den Altar an die Wand, es wurde sein Meisterwerk.
Somit war der Innenausbau nahezu abgeschlossen, doch von außen sah die Kapelle wenig einladend aus. Buttapasta stellte sich der Herausforderung und begann damit Zementsäulen, einen Glockenturm und einen Bogengang zu bauen. So entstand die perfekte Außenfassade, deren Hingucker immer noch das rote Relief von Christus ist.
Nach Fertigstellung der Kapelle fanden dort nur wenige Gottesdienste statt. Der Krieg war zum Glück vorüber und die Gefangenen hatten die Insel verlassen. Alle? Nein, Domenico Chiocchetti blieb! Freiwillig! Er war mit seiner Arbeit an der Kapelle noch nicht ganz fertig. Erst als er sie vollendet hatte, verließ er die Orkneys und kehrte in seine Heimat zurück.
Nun könnte die Geschichte der Italian Chapel eigentlich zu Ende sein. Der Krieg war vorüber, die Gefangenen längst in ihre Heimat zurückgekehrt und das Lager 60 wurde dem Erdboden gleichgemacht. Mit Ausnahme der Kapelle! Durch ihre Schönheit und ihre Entstehungsgeschichte ergriff sie die Herzen der tiefgläubigen Bewohner der Orkneys. Doch nicht nur ihre, auch viele Touristen kamen jedes Jahr.
Leider war die Kapelle aus einfachsten Materialien gebaut worden und nicht für die Ewigkeit gedacht. Der Zahn der Zeit nagte an ihr und der langsame Verfall setzte ein. 1958 wurde schließlich ein Komitee zur Erhaltung der kleinen Kapelle gegründet und man begann mit der durch Besucherspenden finanzierten Restaurierung. Für die Malerarbeiten wünschte sich das Komitee allerdings einen ganz besonderen Mann. Und so kehrte Domenico Chiocchetti im Jahr 1960 zurück auf die Orkneys und half bei den Restaurierungsarbeiten seiner wunderschönen Malereien. Natürlich war er auch beim Wiedereinweihungsgottesdienst anwesend, der zum Teil sogar im Rundfunk übertragen wurde.
Als Domenico Chiocchetti nach drei Wochen die Insel erneut verließ, wandte er sich noch einmal an die Orkadier.
Die Kapelle ist Ihre – die Sie lieben und bewahren sollen. Ich nehme die Erinnerung Ihrer Großzügigkeit und wunderbaren Gastfreundschaft mit mir nach Italien. Ich werde mich immer daran erinnern und meine Kinder sollen von mir lernen, Sie zu lieben.
Ich bedanke mich bei den Behörden Kirkwalls, dem freundlichen Erhaltungskomitee und all denjenigen, die direkt oder indirekt für den Erfolg dieser Arbeit zusammengearbeitet haben und die mir die Freude ermöglicht haben, die kleine Kapelle von Lamb Holm zu sehen, wo ich, wenn ich sie verlasse, einen Teil meines Herzens zurücklasse.
Vielen Dank auch im Namen aller meiner Gefährten des Lagers 60, die mit mir dort arbeiteten. Auf Wiedersehen, liebe Freunde von Orkney – oder vielleicht sollte ich lieber „au revoir“ sagen.
Kirkwall, am 11. April 1960
4 Jahre später besuchte Domenico mit seiner Frau Maria wieder die Orkneys. Als sich 1992 acht andere ehemalige Kriegsgefangene an der Italian Chapel trafen, war Domenico leider zu krank, um dabei sein zu können. Aber seine Tochter war anwesend, vertrat ihren Papa und begleitete die Gruppe. Im Alter von 89 verstarb Domenico Chiocchetti 1999 in seinem Haus in Italien.
Mich hatte das Ganze so berührt, dass ich mir ein Tränchen verdrückt habe.
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Auf der Weiterfahrt hielten wir kurz an den Churchill Barriers. Diese Dämme wurden im Auftrag von Winston Churchill errichtet. Im zweiten Weltkrieg fühlte sich die britische Flotte in der Bucht von Scapa Flow sicher. Bis zur verhängnisvollen Nacht vom 13. auf den 14. Oktober 1939. Das deutsche U-Boot U47 drang heimlich und ungehindert in den Naturhafen ein und versenkte das Schlachtschiff HMS Royal Oak. 833 Seeleute fanden in dieser Nacht den Tod.
Nach der Katastrophe gab Churchill die Dämme in Auftrag. Sie sollten die kleinen Inseln östlich von Scapa Flow mit Mainland verbinden und wie eine Hafenmauer dienen. Zunächst wurden Schiffe als Speerwerk versenkt und danach begannen die italienischen Kriegsgefangenen mit dem Bau der massiven Dämme. Pünktlich zum Kriegsende wurden sie fertig und heute erfreuen sich Einheimische, wie Touristen an ihnen. Da nämlich heute eine Straße auf ihnen verläuft, lässt es sich bequem von der Hauptinsel nach South Ronaldsay fahren.
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Als „Tomb of the eagles“ pünktlich seine Tore öffnete, standen wir auf der Matte. Eine Frau namens Jo empfing uns freundlich und meinte, wenn wir nur eine Stunde Zeit hätten, könnten wir zu dem Bronzezeitalterhaus auch mit dem Auto fahren und von dort aus zu Fuß zu dem „Tomb of the eagles“ gehen.
Vorher erklärte sie uns noch einige Randdetails und zeigte uns Knochen, Schädel und Werkzeuge, die dort gefunden wurden. Dann machten wir uns auf den Weg. Kaum hatten wir das Auto verlassen, ergoss sich eine dicke Regenwolke über uns. Der Wind kam peitschend von links und rasch stampften wir die Wiese hoch zur Küste.
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Oben angekommen, hörte der Regen auf und die letzten Meter konnten wir ohne Kapuze auf dem Kopf zum Grab gehen. Dort mussten wir uns einzeln auf ein Rollbrett legen und mit einem Seil durch einen ca. 75 cm breiten und hohen Tunnel ziehen. Nach 3,5 Metern kamen wir im Innern der Grabkammer an. Was für ein Spaß!
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Auf dem Rückweg zum Auto schlug der Wettergott wieder erbarmungslos zu und überschüttete uns mit einer Menge Wasser, dieses Mal natürlich von rechts. Völlig durchnässt kamen wir am Auto an und alle zogen erst mal blank und trockene Hosen an, mitten auf der Wiese. Nur meine nasse Hose blieb da wo sie war und die Heizung im Auto lief auf Hochtouren.
Für das Bronzezeitalterhaus hatten wir leider keine Zeit mehr, wir mussten uns zur Fähre aufmachen. Als wir dort ankamen, reihten wir uns in die Schlange ein und konnten kurze Zeit später schon an Bord fahren.
Die Überfahrt verbrachten wir drinnen auf den bequemen Sitzen. Die Jungs zockten mit ihren Spielkonsolen, Inka las und ich schrieb Reisebericht. Zwischendurch gab es ein leckeres Spiegeleibrötchen, welches Jochen sich halb über seine Jacke schmierte.
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Um 12:30 Uhr legten wir in Gills an. Die A836 führte uns Richtung Durness. Rechts immer das Meer im Blick und auf der linken Seite Getreidefelder und Weiden mit Kühen und Schafen drauf. Ab Reay änderte sich die Landschaft, es wurde hügeliger und die grünen Flächen tauschten ihre Plätze mit braunen Torffeldern, die kleine weiße Wollgrasfarbtupfer hatten. Schafe lagen direkt an der Straße und die Häuser wurden immer weniger.
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Und dann kam er wieder, der Regen… zeitgleich mit der schönen schroffen Berglandschaft Schottlands. Als hinter Bettyhill die Single Track Route anfing, hatte der Regen schon wieder aufgehört. So ist das dort oben halt.
Die Straße hatten sie stellenweise zweispurig ausgebaut, sodass wir schneller vorankamen als geplant.
Um Loch Eriboll herum gab es aber nur die einspurige Straße. Das war aber egal, wegen der schönen Landschaft hielten wir eh viel an. Sonne, Wolken und Regen eiferten am Himmel um die Wette und Lämmer lagen schlafend mit ihren Müttern am Straßenrand.
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Am Ceannabeinne Beach hielten wir an und spazierten zum Wasser runter. Ein kräftiger Wind blies in jede Kleidungsritze, aber so konnte Nico super seinen Drachen steigen lassen. Tony zog Schuhe und Strümpfe aus und auch Tom lief nur in Crocs durchs kalte Wasser.
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Ich fand im Sand ein kleines totes Fischchen, das schön silbern glitzerte. Tony traute sich ihn anzufassen, taufte ihn Hans und beerdigte ihn schließlich unter Sand und dem schönsten Stein, den er finden konnte. Beim ersten Gruppenfoto fiel Jochens Kamera auf dem wackeligen Stativ um und das Foto zeigte nur den Himmel. Also mussten wir für noch eins herhalten, das dann aber sehr schön wurde.
Bis zum Schokoladenladen in Balnakeil war es nur ein Katzensprung. Wir bestellten dort alle die weltbeste heiße Schokolade, dazu noch ein paar Leckerchen. Köstlich! Natürlich kauften wir auch noch Pralinchen für später.
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Voll mit Kalorien fuhren wir weiter durch die wunderschöne schroffe Landschaft, immer wieder unterbrochen durch kurze Fotostopps. Am Ardvreck Castle hielten wir einen Moment länger und tranken unseren obligatorischen Whisky. Sláinte!
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Bis nach Ullapool wollten wir nun durchfahren, was ca. 2 Kilometer lang klappte. Dann stand ein Hirsch auf einer Wiese, den wir selbstverständlich ablichten mussten.
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Gegen 19:30 Uhr kamen wir an unserem Tagesziel, dem Caledonien Hotel, an. Na ja, das gute Stück hatte auch schon bessere Zeiten gesehen, es machte einen etwas schmuddeligen Eindruck. Im Restaurant nebenan konnten wir erst eine halbe Stunde später einen Tisch bekommen. Die Zeit bis dahin vertrieben wir uns mit einem Spaziergang am Hafen und einem kurzen Stopp in einem Souvenirshop.
Im Lokal bekam Inka dann leider nicht den gewünschten, bestellten vegetarischen Burger, die Bedienung hatte sich schlichtweg mit dem Venison Burger vertan. So aß sie leicht verstimmt nur die Beilagen von Jochen und pickte in ihren Pommes rum. Tom und ich hatten Fisch, der war superlecker und auch die Neuhaus-Männer waren mit ihren Burgern zufrieden. Mit den Jungs angelte mein Mann noch eine Weile vom Pier aus. Er und Nico holten sogar einen Fisch aus dem dunklen Hafenbecken.
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Gegen 23:00 Uhr waren wir alle in den Zimmern verschwunden. Tom und ich ließen uns noch die leckeren Pralinen als Nachthupferl schmecken.
Kilometer: 296 Wetter: 10°C - 14°C, Sonne-Wolken-Regen-Wind wieder alles dabei Unterkunft: Caledonian Hotel
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Tag 5
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Übersicht
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Tag 7
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